
regisseur
Der Regisseur Christian Labhart wurde 1953 in Zürich (CH) geboren. Er arbeitete er als Beleuchter und Kamera-Assistent und später als Lehrer im Industriequartier Zürich. Seit 1999 ist er als Filmemacher im Bereich Dokumentation tätig. Er ist Autor, Regisseur und Produzent zahlreicher Doku-Filme hauptsächlich zu politischen und pädagogischen Themen, u.a. Kinder in Kosova (2000), Zum Abschied Mozart (2006) und Education is Not For Sale (2011).
Labhart wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Prix Europa 2003 für Die Brücke von Mitrovica sowie mit dem Kulturpreis Wetzikon. Für seinen aktuellen Film Appassionata! über die ukrainische Pianistin Alena Cherny erhielt Labhart den Publikumspreis am Zürich Film Festival 2012. Christian Labhart lebt in Wetzikon.
Ausschnitt aus einem Gespräch mit Christian Labhart über seinen neuen Film WHAT MOVES YOU
Warum haben Sie sich entschieden, einen Film über das Thema Eurythmie zu machen?
Ich kannte die Eurythmie bereits. Aber Eurythmie war nicht gerade mein bevorzugtes Beschäftigungsfeld. Immer wieder passierte es mir, dass ich bei Aufführungen einschlief. Der Funke sprang einfach nicht in meine emotionale Befindlichkeit. Und jetzt genau darüber einen Film machen? Aber mich reizte das Thema durchaus von einer anderen Warte her: die vielen Jugendlichen, die für einen Monat in der Metropole Berlin einen Probeprozess durchmachten würden — sie waren der Grund, dass ich zusagte. Bereits vor dem Dreh war mir klar, dass die Proben, das künstlerische Ringen um eine Form im Laufe der vier Wochen im Vordergrund stehen sollte. Es sollte aber kein Werbefilm über eine heile Welt werden, ich wollte auch die Momente der Krisen und Abstürze, den Streit und Reibungen einfangen.
Wie verlief der Dreh vor Ort, wie haben Sie Ihre Protagonisten und Themen gefunden?
Wir arbeiteten mit zwei Kameras, um im Schnitt unabhängiger von der Tonspur zu sein. So waren wir in den ersten zwei Wochen mit den Kameras vor allem in den Proben präsent. Bald wurde mir klar, dass es nicht in erster Linie um das didaktische Zeigen der eurythmischen Strukturen ging, sondern um die Dynamik der Bewegung und die Interaktionen zwischen den Jugendlichen und ihren Dozenten. Ein scheuer Blick, ein verstecktes Gähnen, ein Schmunzeln oder eine unwirsche Reaktion, das waren Perlen des Augenblicks, die wir einzufangen versuchten. Langsam wurde mir auch der Sinn der Eurythmie klarer. Mich beeindruckte die starke seelische Verbundenheit der Jugendlichen mit den Bewegungen ihres Körpers. Als einer der Choreografen die Eurythmie als eine Art »Seelengymnastik« und eine jugendliche Protagonistin sie als »Frühlingsputz des Geistes« bezeichnete, wurde mir einiges klarer.
Und was war mit den Krisen?
Irgendwie verblasste mein ursprünglich kritischer Ansatz zunehmend. Ich hielt es nicht mehr für nötig, den Abgründen des menschlichen Lebens hinterher zu jagen. Es war schlicht so viel Bewegung, Direktheit, Spontaneität und soziale Kompetenz in diesem »Bienenhaus« während des Projekts zu spüren, dass ich genügend Stoff fand, der dokumentiert werden wollte: Ausflüge in die Stadt, baden im Pool, alltägliche Dinge, die einfach zur Welt der Jugendlichen gehören. Aber dann kam die dritte Woche. Vieles wurde zäh, schmerzende Beine, verletzte Gelenke, Konflikte, Tränen und ein plötzlicher Abschied einer Teilnehmerin.
War es den Teilnehmern von Beginn an klar, wie sehr Sie mit der Kamera in das Innenleben des Probenablaufs eindringen würden?
Wir wurden insgesamt sehr offen aufgenommen. Aber es gab manchmal schon eine gewisse Skepsis, die uns und unserer Kamera entgegen gebracht wurde. Aber letztlich nie einen Grund, dass ich bei der Montage des Filmes später das Gefühl hatte, eine Grenze überschritten zu haben und in die Intimsphäre der Beteiligten eingedrungen zu sein.
Wie haben Sie den Abschluss und die Aufführungen wahrgenommen?
Die letzten Tage mit Bühnenproben und Aufführungen in Kreuzberg war total intensiv. In die Vorfreude auf die beiden ausverkauften Vorführungen mischte sich eine leise Trauer, dass das alles bald vorbei sein würde. Doch selbst in diesen Momenten war das Zukunftsträchtige stärker: „Das hier konnte ja nicht ewig dauern und es ist kein Ende, es ist der Anfang einer Fortsetzung“, meinte die neunzehnjährige Julie am letzten Tag. Dem habe ich im Grunde nichts beizufügen.